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15.03.2017

Keine Sittenwidrigkeit von Behindertentestamenten

Vielen Eltern behinderter Kinder ist es ein Anliegen, dass ihre Kinder nach ihrem Ableben gut versorgt sind. Der Sozialstaat stellt durch vielfältige staatliche Fürsorgeleistungen den Lebensunterhalt dieser Kinder sicher und kümmert sich um ihre besonderen Bedürfnisse, sofern und soweit sie dies nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sicherstellen können.

 

Eltern und andere Angehörige von behinderten Kindern können durch eine besondere Testamentsgestaltung ihren Kindern im Erbfall Zuwendungen machen, ohne dass diese auf die Sozialhilfeleistungen für das behinderte Kind angerechnet werden und mit dem Zweck, ihren Kindern über das Sozialhilfeniveau hinaus etwas zukommen zu lassen, das ihnen von der Sozialhilfe nicht finanziert wird, wie zum Beispiel Urlaubsreisen oder spezielle therapeutische Behandlungen.

 

Die richtige Gestaltung behindertengerechter Testamente ist rechtlich vielfältig und bedarf in jedem Einzelfall einer spezifischen Ausgestaltung. Bei korrekter Umsetzung kann der Staat auf das Vermögen, das das behinderte Kind erbt, nicht zugreifen. Stirbt später das behinderte Kind, können bereits die Angehörigen vorab bestimmen, wer daraufhin das Vermögen erhalten soll. Dadurch kann sichergestellt werden, dass das elterliche Vermögen in der Familie oder bei den "Wunscherben" verbleibt.

 

Immer wieder wird diskutiert, ob diese Form der Testamentesgestaltung gegen die guten Sitten verstößt, weil die Finanzierung der alltäglichen Bedürfnisse des behinderten Kindes dadurch der Allgemeinheit auferlegt wird, obwohl Angehörige den behinderten Kindern etwas zuwenden könnten. Die Sittenwidrigkeit wird von Teilen der juristischen Literatur insbesondere bei "großen" Erbmassen proklamiert, ohne genau zu definieren, wo die Grenze zwischen "großem" und "mittlerem" Vermögen verläuft.

 

Das OLG Hamm dürfte dieser Diskussion mit seinem Urteil vom 27.10.2016, Az. 10 U 13/16, voraussichtlich endgültig ein Ende bereitet haben. Das Gericht entschied, dass auch "große" Vermögen im Wege des behindertengerechten Testaments weitervererbt werden dürfen. Dies begründet sich maßgeblich mit der grundrechtlich geschützten Testierfreiheit jedes Einzelnen. Auch wenn der Bundesgerichtshof als höchstes deutsches Zivilgericht in Erbangelegenheiten hierzu noch keine klare Stellung bezogen hat, dürfte mit dem Urteil des OLG Hamm für alle Eltern schwerbehinderter Kinder ein Stück mehr an Richtssicherheit eingetreten sein. Die Entscheidung, in welcher Form des behindertengerechten Testaments sie für ihre Kinder Vorsorge treffen, müssen sie allerdings weiterhin selbst treffen. Hierzu kann nur dringend geraten werden, sich im Vorfeld ausgiebig rechtlichen Rat einzuholen, damit sichergestellt ist, dass das gewünschte Ziel - die dauerhafte und zuverlässige Versorgung des eigenen Kindes - später auch erreicht wird.

 

(15.03.2017 - Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Sozialrecht Thomas Schneider)

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